Seit einigen Wochen sorgt die Berichterstattung über Pläne der Europäischen Union zur stärkeren Regulierung des Saatgut-Marktes auch unter den Hamburger Kleingärtnern für Aufruhr. So fürchten viele, sich künftig durch die Nutzung von alten oder seltenen Sorten, die nicht amtlich zugelassen sind, strafbar zu machen. Grund dafür ist ein jüngst vom EU-Verbraucherkommissar Tonio Borg vorgestellter Entwurf für eine neue Saatgut-Verordnung.
Laut dem Landesbund der Gartenfreunde in Hamburg e. V. finden sich allein in Hamburg-Mitte 35 Kleingarten-Vereine mit über 5000 Parzellen. Mit der Horner Marsch und der Billerhuder Insel befinden sich die größten Kleingartenkolonien direkt vor meiner Haustür. Als Abgeordneter im Wahlkreis Hamburg-Mitte fühle ich mich für die Belange der zahlreichen Gartenfreunde verantwortlich, und habe daher eine Kleine Anfrage zum Thema an den Senat gestellt. Ziel von Verordnungen oder Reglementierungen darf nicht die Kriminalisierung von Hobbygärtnern sein, die maßgeblich zur Begrünung unseres Bezirks und zu einem nachbarschaftlichen Miteinander beitragen, sich um ökologische Belange in unserer Stadt kümmern und durch das Vereinsleben zum sozialen Leben in unserer Stadt einen wichtigen Beitrag leisten.
Vor einigen Tagen kam nun die Antwort auf meine Kleine Anfrage und ich kann den Kleingärtnern in Mitte – allen anderen natürlich auch – Entwarnung signalisieren. Hobby- und Kleingärtner sind ausdrücklich nicht von der neuen Verordnung betroffen und haben keinerlei Kontrollen des Saatguts seitens der Behörden zu erwarten. Tausch und kostenlose Weitergabe von Saatgut bleiben ebenfalls erlaubt.
Auch der Landesbund der Gartenfreunde in Hamburg e. V. (LGH) kommt zu dem Schluss, dass die geplante Saatgutregulierung bei Kleingärtnern oder Hobbybotanikern nicht zur Anwendung kommen wird. Kleingärtner in Hamburg und überall dürfen auch in Zukunft alle gewünschten Sorten anbauen.
Einziger Wermutstropfen bleibt die ungeklärte Frage nach den Beschaffungsmöglichkeiten: Wo die bürokratischen und finanziellen Hürden so hoch gelegt werden, dass kein kommerzieller Züchter mehr die Zulassung für alte oder seltene Sorten beantragen wird, da wird es diese über kurz oder lang für Hobby-Gärtner nicht mehr zu erwerben geben. Hier ist jetzt klar die deutsche Agrarministerin Ilse Aigner (CSU) gefragt, um die Verhandlungen im EU-Parlament und den Ratsgremien im Sinne der Artenvielfalt anzugehen. Ich bin allerdings gespannt, wie sie sich zur Vorlage ihres christlich-konservativen Parteifreundes Tonio Borg letztlich stellen wird: zugunsten der seltenen, alten Saatgutsorten oder doch zugunsten der großen Saatgut-Hersteller.
[Schriftliche Kleine Anfrage und Antwort des Senats zur geplanten EU-Saatgutregulierung]