Quo vadis, Digital Radio?

Politik

Die aktuelle Behandlung des Digital-Radio-Staatsvertrags, hiermit soll dem NDR das Betreiben neuer Radiosender im neuen Digital Radio DAB+ genehmigt werden, habe ich zum Anlass genommen, eine Kleine Anfrage an den Senat zum Stand der Dinge in Sachen Digital Radio in Norddeutschland zu stellen.

Überschaubares Angebot
Von der Öffentlichkeit fast unbemerkt ist das bundesweite DAB+-Netz seit dem 1. August zunächst in allen Ballungsgebieten gestartet und soll nun kontinuierlich weiter ausgebaut werden. Der bundesweite DAB+ Multiplex wird in Norddeutschland von Sendern in Hamburg (Fernsehturm), Hamburg-Moorfleet, Bremen, Hannover und Kiel und seit dem 16. Dezember aus Schwerin ausgestrahlt. Hierüber sind der Deutschlandfunk, DRadio Wissen, Deutschlandradio Kultur, Absolut Radio, Radio Bob, Lounge FM, Klassik Radio, Kiss FM, Radio Horeb, ERF Radio, Radio Energy, Sunshine live und 90 Elf zu empfangen. Daneben können die NDR-Hörfunkprogramme NDR 2, NDR Kultur, NDR Info, N-JOY sowie das jeweilige „NDR 1 Landesprogramm“ (in Hamburg ist dies NDR 90,3) empfangen werden. Über den neuen Staatsvertrag soll dem NDR die Erlaubnis erteilt werden, drei weitere Programme auszustrahlen: NDR Info Spezial (heutiges Mittelwellenprogramm), NDR Traffic (gesprochene Verkehrsnachrichten), NDR Blue (ehemals NDR Musik Plus).
Private Anbieter haben kein Interesse am Digital Radio
Insgesamt ist das Radioprogramm im Vergleich zu dem, was im herkömmlichen UKW-Bereich zu empfangen ist doch recht überschaubar. Ein von der Landesmedienanstalt Hamburg und Schleswig-Holstein und der Medienanstalt Niedersachsens gestartetes Verfahren zur Abfrage des Interesses weiterer privater Rundfunkanbieter ist im Sande verlaufen. Kein einziger Anbieter hat hier ein Interesse bekundet. Gleichzeitig hat aber die „Arbeitsgemeinschaft privater Rundfunk“ die Einführung der neuen NDR-Sender kritisiert.
Insgesamt ist die Aufmerksamkeit um das digitale Radio doch sehr begrenzt. Schaut man in die einschlägigen Elektronikfachmärkte muss man gezielt nach Empfangsgeräten suchen. In den Medien findet das Thema überhaupt nicht statt. Dabei hat die Digitalisierung viel Potenzial. Die Klangqualität ist überragend und neben der reinen Audioübertragung lassen sich auch Mehrwertdienste wie Text- und Videoinformationen oder Internet-Angebote auf die Empfangsgeräte spielen. Verkehrsleitsysteme, Telematikdienste und Krisenkommunikation von Polizei und Feuerwehr sind weitere Beispiele.
Digitalisierung beim Fernsehen erfolgreich, beim Radio droht ein Scheitern
Während die Digitalisierung des Fernsehens erfolgreich verlief und mit der Abschaltung der analogen Satellitenfrequenzen im kommenden Jahr seinen Abschluss findet, kommt die Digitalisierung des Radios nicht aus den Pötten. Der Bundestag hat im Oktober die für 2015 gesetzte Frist zur analogen UKW-Verbreitung aufgehoben. Angesichts einer Verbreitung von ca. 350 Mio. UKW-Empfängern in bundesdeutschen Haushalten benötigt die Digitalisierung der Radioverbreitung noch viele Jahre. Immer wieder brandet um die Finanzierung der Radiodigitalisierung neuer Streit auf, das war schon bei dem Vorgänger DAB so.
Aus meiner Sicht vergeben alle Player hier eine große Chance. Das Dilemma ist klar: Hörer-Reichweiten gehen gegen Null, die mangelnde Nachfrage behindert die Entwicklung günstiger Endgeräte. Aber dies ist leider nicht das einzige Problem des Radiomarktes. Die Sender leben ganz gut mit dem aktuellen Radiomarkt und warum sollte man da eine neue Wettbewerbssituation haben wollen?
Einheitsbrei und wenig Innovationen im Norddeutschen Radiomarkt
Leider ist der Radiomarkt seit Jahren hier im Norden aus Hörersicht ein Trauerspiel. Das Programm der Formatradiosender ist austauschbar und lässt wenig Raum für Innovationen. Die Sender leben das Motto „wir machen keine Hits, wir spielen sie“ und orientieren sich dabei an den aktuellen Single Charts. Die Folge ist, dass die Megahits der 80er, 90er und 2000er in ständiger Dauerwiederholung runtergenudelt werden. Informationen spielen dabei eine untergeordnete Rolle und Musik Abseits des durch Meinungsumfragen abgefragten „Geschmacks“ hat keine Chance. Die Kritik geht sowohl in Richtung privater Radio-Anbieter, wie auch in Richtung der öffentlich-rechtlichen Sender. Ein wenig mehr an Innovation und Experimenten wäre wünschenswert. In anderen Gegenden der Bundesrepublik und vor allem im Ausland geht es doch auch. Warum nicht hier?
Ein Lichtblick ist seit gut einem Jahr 917xfM. Der Sender wird ausgestrahlt über die Hamburger City-Frequenz 91,7 MHz. Hier finden Musikstile ihren Platz, die es im Radio sonst eher schwer haben, zum Beispiel Indie, Alternative, Elektro oder Jazz. Ein besonderer Schwerpunkt liegt auf der Hamburger Musikszene und der Sender kooperiert zudem mit dem Web-Radio ByteFM. Als „Hamburger Medienformat des Jahres“ wurde 917xfm gerade mit dem Hamburger Musikpreis „Hans“ ausgezeichnet. Die guten Kritiken und das positive Echo bei den Hörern zeigen, dass die Nachfrage nach neuen Angeboten da ist.
Sender wie dieser könnten dem Digital Radio eine Chance geben. Wenn aber nur das bestehende Programmangebot „digitalisiert“ wird, gibt es für die Konsumenten kaum Gründe, in neue Geräte zu investieren. Größere Programmvielfalt und neue Angebote würden für eine schnellere Nachfrage sorgen. Ein Blick ins Ausland zeigt, dass digitales Radio erfolgreich sein kann. In London gibt es eine fast unüberschaubare Radiovielfalt.
Anstatt sich im Klein-Klein zu verzetteln sollten die Hörfunkanbieter gemeinsam an einem Strang ziehen. Bei einem Scheitern der Digitalisierung des terrestrischen Hörfunks könnte der gesamte Radiomarkt auf Dauer seinen eigenständigen Übertragungsweg komplett verlieren und wäre irgendwann vielleicht nur noch per Online-Rechner oder Smartphone zu empfangen.
[Download der Kleinen Anfrage „Digital Radio in Norddeutschland“]

Schreibe einen Kommentar