Die Schufa Holding AG sorgt für Aufregung. Deutschlands größte und bekannteste Auskunftei, sponsert ein Forschungsprojekt des Hasso-Plattner-Instituts für Softwaresystemtechnik der Universität Potsdam (HPI). Das Projekt SchufaLab@HPI soll Möglichkeiten ausloten, wie personenrelevante Daten aus dem Netz gewonnen und mit anderen Informationen verknüpft werden können.
Derzeit tüfteln die Wissenschaftler in Potsdam daran, wie sowohl aus öffentlich zugänglichen Quellen als auch aus nicht-öffentlichen Daten relevante Verknüpfungen erstellt werden können. Gefeit ist also niemand – zumal selbst die totale Abstinenz aus dem Netz möglicherweise negativ bewertet wird. Unterstützt wird das HPI mit 200.000 € jährlich. Geld, das die Schufa, wie sie offen zugibt, gut angelegt sieht, um sich auch zukünftig als führende Auskunftei behaupten zu können. Obwohl beide Seiten zugleich betonen, alles laufe ethisch ganz korrekt und transparent ab und sei bislang nur ein „Ideenraum“, zweifelt wohl niemand ernsthaft daran, dass die Schufa die Ergebnisse gewinnbringend anwenden wird.
Im Klartext: Es werden Wege gesucht, Daten und Informationen aus den sozialen Netzwerken, Karrierenetzwerken, aber auch Geodaten wie Informationen zur Wohnlage zu nutzen, um über die Bonität oder Kreditwürdigkeit Einzelner Auskünfte erteilen zu können. Das Ende dieses Szenarios ist erschreckend, oder, um mit Edda Castelló von der Hamburger Verbraucherzentrale zu sprechen, „hochgefährlich“.
Man kann Unternehmen verstehen, dass sie sich gegen Zahlungsausfälle absichern wollen. Aber die sogenannten Scoring-Verfahren sind ein grundsätzliches Problem. Rein auf Algorithmen basierend stecken sie Menschen in Schubladen. Die falsche Wohnanschrift oder den falschen Namen und schon bekommt man keinen Handy-Vertrag, weil Unternehmen wie Infoscore bestimmte Kriterien dementsprechend gewichten. Die nächste Stufe sollen nun die sozialen Netzwerke sein: „falsche“ Facebook-Kontakte oder einen „falschen“ Arbeitgeber und Verbraucher bekommen möglicherweise nicht einmal mehr einen Mietvertrag für eine neue Wohnung. Ein weiteres Problem ist die Intransparenz der angewandten Algorithmen. Es ist für den Verbraucher wahrscheinlich in vielen Fällen schlicht gar nicht nachvollziehbar, warum er als nicht kreditwürdig eingestuft wird.
Die Offenlegung des Forschungsprojektes hat Daten- und Verbraucherschützer gleichermaßen auf den Plan gerufen. Thilo Weichert, Landesdatenschutzbeauftragter von Schleswig-Holstein, erkennt in diesem vorhaben eine völlig neue Dimension, bezweifelt aber zugleich dass die Umsetzung rechtlich haltbar ist. Es bleibt abzuwarten, zu welchen Ergebnissen das HPI kommt – im September ist angeblich eine Veranstaltung geplant, auf der Näheres kundgetan werden soll.
Was wir brauchen ist eine größere Transparenz der verwendeten Verfahren. Nicht nur bei der Kreditvergabe. Die vom Gesetzgeber eingeführten Auskunftsansprüche sind ein erster Schritt. Die Verbraucher (und die Verbraucherschützer) müssen erkennen können, wie die Ranking-Verfahren funktionieren und wie sie sich dafür schützen können. Offensichtliche Fehlentwicklungen müssen gestoppt werden. Die Facebook-Daten sind – auch wenn sie in einem öffentlichen Kontext stehen – private Daten und da hat die Schufa die Finger von zu lassen! Sollten sich die rechtlichen Bedingungen als nicht ausreichend herausstellen, ist die Politik gefragt. Eine solch orwell’sch anmutende Vorgehensweise ist nicht hinnehmbar.
[via ndr.de: Schufa will Facebook-Daten sammeln]