Mit der heutigen Abschaltung des analogen Satellitenfernsehens findet eine weitere Zäsur in der wechselvollen Geschichte des Fernsehens statt. Trotz der Abschaltung hinkt Deutschland im Vergleich mit der Digitalisierung hinter her (knapp 63%). Dennoch ist das digitale Fernsehen in Deutschland allmählich auf dem Vormarsch. Es gibt aber noch viele offene Baustellen.
Die Verbesserung der Empfangsqualität durch die digitale Übertragung (Kabel, Satellit, terrestrisch) hat leider keinen Einfluss auf die Inhalte. Doch auch wenn schon viele das Ende des Fernsehens einläuten, ist es so quicklebendig wie noch nie. 2011 haben die Deutschen 225 Minuten pro Tag ferngesehen. Damit war der Fernsehkonsum so hoch wie nie. Auf die Inhalte hat die Politik so gut wie keinen Einfluss (auch gut so), aber trotzdem müssen für eine gute Zukunft des Fernsehens die richtigen Weichen gestellt werden. Hier sind Politik und Anbieter gefordert.
HbbTV steckt noch in den Kinderschuhen
Dem Verbraucher werden durch das digitale Fernsehen viele Versprechen gemacht. Die Realität sieht leider etwas anders aus. Ich selbst habe seit Ende letztens Jahres einen Internet-fähigen Fernseher (HbbTV) und bin nur mäßig begeistert. Der herstellerunabhängige Standard HbbTV bietet viele Möglichkeiten, den Fernseher zu einer Medienplattform zu machen. Aber bisher ist das nichts Halbes und nicht Ganzes. Die Bedienung verlangt schon viel Geduld ab und weniger medienkompetente Nutzer werden damit nicht zu recht kommen. Da bieten AppleTV, Boxee oder Open Source-Projekte wie XBMC deutlich mehr Komfort.
Wettbewerb auf den Plattformen ermöglichen, Vielfalt absichern
Aus politischer Sicht muss hier ein offener Wettbewerb ermöglicht werden. Nach welchen Kriterien Online-Videoportale und elektronische Programmführer die Inhalte einsortieren, kann sich schnell zu einer wettbewerbsrechtlichen Frage entwickeln. Ob Angebote (zulassungspflichtiger) Rundfunk oder (zulassungsfreie) Telemedien sind, wird sicherlich in Zukunft eine stärkere Rolle spielen. Der Streit um Amazonas (RTL und ProSieben Sat1) und Germany’s Gold gibt hierfür einen Vorgeschmack.
Vorausschauende Medien- und Netzpolitik muss dafür sorgen, dass das offene Internet weder von finanzstarken Diensteanbietern noch von Infrakstrukturbetreibern dominiert wird, damit neue und kreative Ideen die Chance erhalten, sich zu entfalten. Wir bewegen uns in einem globalen Wettbewerbsumfeld, deshalb sind offene Standards eine Voraussetzung für den Wettbewerb.
Neben dem Wettbewerb geht es auch darum, die journalistische Vielfalt zu stärken und gesellschaftlich erwünschte Programminhalte zu fördern. Die Übertragung der aus der bisherigen Medienwelt bekannten Drittfenster, wird im Internet wohl kaum funktionieren. Hier sind neue, kreative Wege gefordert.
Verbraucher stärken: Herrschaft über Geräte muss beim Kunden bleiben, Grundverschlüsselung beenden
Die schöne, neue Welt des HDTV wird durch so manche Auswüchse getrübt. Wer auf einem der neuen Fernseher ein Programm aufnehmen will, kann auf einmal nicht mehr die Werbung vorspulen oder die Aufnahme wird nach einer bestimmten Zeit oder nach dem Schauen gelöscht. Die Übertragung auf ein anderes Abspielgerät ist in der Regel nicht möglich. Hier mögen einige Inhalteanbieter ihre Träume verwirklicht haben, aber im Sinne der Zuschauer ist dies nicht. Das Digital Rights Management die Kunden in graue oder illegale Kanäle treibt, sollte doch mittlerweile die Lehre aus der Musikbranche sein.
Ebenfalls ein Problem ist die Grundverschlüsselung. Die in der SD-Welt bisher unverschlüsselten Programme sind auf einmal verschlüsselt und Aufzeichnungen nur mit Einschränkungen möglich. Aus meiner Sicht sind umständliche Anmeldeprozeduren und Smartcard-Pflicht nur für Pay-TV berechtigt. Hier sind insbesondere die Kabelnetzbetreiber gefordert, die Grundverschlüsselung aufzugeben. Weniger als die Hälfte der Kabelhaushalte nutzen bisher das digitale Fernsehen. Wären die Free-TV-Programme unverschlüsselt, wäre die Digitalisierungsquote sicherlich höher.
Das Problem ist das CI+-Modul und die damit eingehenden Einschränkungen. Der Zuschauer braucht für die Entschlüsselung eine Smartcard und ein CI+Modul. Dies wird dann häufig mit einem PayTV-Paket zum Test verkauft. Wer Free-TV-Programme digital sehen will, ist aber nicht automatisch an PayTV interessiert. Hier werden die Kosten der Verschlüsselungsinfrastruktur auf die Haushalte umgelegt, obwohl nur wenige verschlüsselte Programme sehen wollen.
Die Antenne nicht vergessen
Mit der Einführung von DVB-T wurde der Umstieg vom analogen auf den digitalen terrestrischen Empfang erfolgreich vollzogen. Heute wird DVB-T besonders in den Ballungsräumen gut angenommen, aber in der Fläche gibt es immer noch Probleme. Ungemach droht durch die weitere Beschneidung der Frequenzbänder. Für LTE wurde bereits das 800-MHz-Band in Anspruch genommen. Auf der Weltfunkkonferenz wurde nun beschlossen, dass weitere Frequenzen an den Mobilfunk übertragen werden sollen. Vor der Umsetzung sollte es in jedem Fall eine Diskussion über die langfristige Nutzung der heutigen Rundfunkfrequenzen geben.
Der terrestrische Rundfunk hat eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Er sorgt für eine flächendeckende Informationsversorgung. Sowohl die Öffentlich-Rechtlichen Anstalten, als auch die Privaten müssen erklären, ob sie auch bereit sind, sich auch weiterhin für die terrestrische Übertragung engagieren. Dies könnte zum Beispiel durch die Aufwertung des DVB-T-Kanals durch HDTV und die Einführung von DVB-T 2.0 erfolgen.
Das Fernsehen wandelt sich
Dem Fernsehen geht es also soweit ganz gut, aber es muss sich die Aufmerksamkeit des Zuschauers zunehmend mit weiteren Displays teilen. Ich selbst beobachte es an mir: Kaum ein Fernsehmoment, in dem bei mir nicht noch zusätzlich das iPad oder das Smartphone leuchtet. Der sogenannte „Second Screen“ stellt die Programmmacher vor ganz neue Herausforderungen. Die Reichweiten der linearen Sender wird signifikant abnehmen, Video on Demand und Cross-Mediale-Angebote werden zunehmen. Sollte Apple einen Fernseher rausbringen und GoogleTV in Deutschland ankommen, wird sich das Spiel nochmals in eine andere Richtung bewegen. Die traditionelle Rechtevergütung innerhalb von Verwertungsfenstern dürfte keine Zukunft mehr haben.
Das Fernsehen wird auch künftig bei großen Ereignissen wie Sport oder Shows dominieren, aber der Film aus der Konserve wird verstärkt über neue Verbreitungswege konsumiert werden. Die großen Sender müssen sich anstrengen und neue, interaktive Formate entwickeln, um die Zuschauer über die Social-Media-Plattformen in das Programmgeschehen zu integrieren. Für die Werbung wird im Internet bereist jetzt mehr ausgegeben.
Medien- und Netzpolitik muss zusammenarbeiten
Ohne die Entwicklungen im Internet ist die Zukunft der Rundfunkübertragung nicht mehr zu betrachten. Wir werden in Zukunft zwei unterschiedlich regulierte Inhalte gleichzeitig auf einem Schirm empfangen. Hier sind die Medien- und Netzpolitiker auf Landes-, Bundes- und Europaebene gefordert, für faire Spielregeln zu sorgen und zu verhindern, dass große Player ihre Marktposition zu Lasten Dritter ausnutzen. Es geht unter anderem um die Etablierung einheitlicher Standards, der Netzneutralität und der Absicherung von Vielfalt.
Wo die Reise hingeht, ist ungewiss. Die Vermittlung von Inhalten hat sich gewandelt und nun wird sich ein neuer Rahmen entwickeln. Ich plädiere schon seit längerem dafür, dass Medien- und Netzpolitik enger zusammenarbeitet. Bei vielen Diskussionen stört mich, dass man das Gefühl hat, hier werden über vollkommen unterschiedliche Dinge gesprochen. Die für die Medien postulierte Konvergenz ist in der Politik leider noch nicht angekommen.