Demokratie ist nicht langweilig, sondern gelebte Geschichte. Davon konnte man sich gestern wieder überzeugen. FDP raus und AfD nicht drin, das war relativ schnell klar. Die SPD blieb zum zweiten mal in Folge deutlich unter 30 % und hat damit das eigene Wahlziel, nämlich die Regierung-Merkel abzulösen, nicht erreicht. Den Rest das Abends ging es nur noch darum, ob die CDU tatsächlich eine absolute Mehrheit erlangen könnte oder nicht. Nun ist alles ausgezählt und die Frage ist nun, wie es weitergeht.
Merkel auf dem Zenit ihrer Macht.
Dass die Union beinahe die absolute Mehrheit erreicht, hätte ich nicht gedacht. Ich hatte gedacht, die 40% in den Umfragen sei der Peak und unser Wahlkampf würde das Stimmengewicht ein wenig in unsere Richtung verschieben. Dass die hochgejubelte AfD nicht reinkommt, hatte ich vorher immer schon prognostiziert. Das Ergebnis ist ein Achtungserfolg und zeigt, dass das Thema Eurokrise bei dieser Wahl eine wichtige Rolle gespielt hat. Mit der Verbannung der FDP in die außerparlamentarische Opposition haben so viele gerechnet, dass selbst die FDP nicht mehr an einem Verbleib im Bundestag geglaubt hat. Die Bettelei der FDP in der letzten Woche nach Zweitstimmen war einer Regierungspartei unwürdig.
Merkel ist auf dem Höhepunkt ihrer Macht. Nach dem Aderlass der SPD in der Großen Koalition folgte nun der Herztod der FDP in der selbstpostulierten „besten Regierung seit der Wiedervereinigung“. Das traditionelle bürgerliche Lager aus Union und FDP gibt es seit gestern Abend im Bundestag nicht mehr. Für Merkel kann es nach diesem Wahlsieg nur abwärts gehen. Deshalb halte ich es für nicht unwahrscheinlich, dass sie im Laufe dieser Legislaturperiode abtreten wird.
Große Koalition oder Schwarz-Grün?
Möglich wären nun eine weitere Große Koalition oder Schwarz-Grün. Bei der SPD rollen sich bei dem Gedanken auf eine neuerliche Große Koalition die Fußnägel auf. Die Grünen haben durch die CDU in diesem Wahlkampf viele persönliche Wunden erlitten. Die Lust auf Schwarz-Grün dürfte da nicht allzu hoch sein, aber in Hamburg haben wir ja erlebt, dass bei der Aussicht auf Ämter und Posten auch bei den sonst ja so moralisierenden Grünen schnell Grundsätze über Bord fliegen. Rot-Rot-Grün wird es nicht, geben. Dies hat die SPD vor der Wahl deutlich gesagt und bereits heute morgen kommen weitere Statements in dieser Richtung aus dem Willy-Brandt-Haus. Angela Merkel ist also am Zug. Sie muss selbst zusehen, wie sie eine Mehrheit zustande bringen will.
Wie die SPD nun ihre Politik ausrichten sollte
Ich will mich nicht an Farbenspielen beteiligen, sondern auf Inhalte zu sprechen kommen. Die SPD sollte nun den Weg der Neuausrichtung der Politik weiter konsequent angehen. In vielen sozialpolitischen Punkten haben wir dies bereits getan. Eine Mehrheit werden wir aber nur dann bekommen, wenn wir deutlich machen, dass die SPD neben der sozialen Kompetenz auch der Wirtschafts- und Finanzpolitik einen höheren Stellenwert einräumt. Nur mit Umverteilungspogrammatik allein werden wir keine Mehrheiten außerhalb der eigenen Basis erhalten. Die SPD muss eine aktive Politik zur Schaffung von Arbeitsplätzen als Kernelement zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft einfordern. Schröder hat dies damals mit seiner „Neuen Mitte“ verstanden. Der Kreativpakt und das Industriepolitische Grundsatzpapier der Bundestagsfraktion sind hier eine gute Ausgangsbasis.
Viele Menschen befürchten den Strukturwandel der Wirtschaft als Verlierer zu verlassen, die Proteststimmen an AfD und Linke machen dies deutlich. Die CDU hat es geschafft, mit der Haltung „keine Experimente wagen“ Sicherheit zu vermitteln. Die notwendigen Reformen werden dadurch aufgeschoben, die Probleme noch verschlimmert. Sozialdemokratischer Politik ging es immer auch um die Gestaltung der Arbeitswelt von morgen. Wir müssen diesen Teil unseres Markenkerns deutlicher herausstellen und den notwendigen Strukturwandel mit sicheren Arbeitsplätzen, Wohlstand und Wettbewerbsfähigkeit verbinden. Wenn wir dies Ernst nehmen, wird sozialdemokratische Politik endlicher wieder als Politik für einen neuen Fortschritt in Deutschland wahrgenommen werden und wir endlich wieder aus dem 20-Prozent-Tümpel rauskommen.