Gestern Abend startete der Mediendialog Hamburg 2012 mit einer klugen Rede von Bürgermeister Olaf Scholz beim Senatsempfang im Rathaus. Schwerpunkte der Veranstaltung, bei der einmal im Jahr Vertreter der Medienbranche auf Einladung des Senats zusammenkommen, sind dieses Jahr die Chancen und Probleme der öffentlichen Diskussion sowie die Möglichkeiten eines Media-Governance-Ansatzes zur Lösung von aktuellen Konflikten in der Medienpolitik.
Olaf Scholz sprach sich insgesamt für eine nachhaltige Reform der Medienpolitik aus und forderte eine gründliche Analyse der Veränderungen in einem digitalen Medienumfeld. Insbesondere seine Forderung, Medienpolitik als Media Governance zu denken und so den Diskurs zu erweitern, unterschiedliche Akteure, Interessen und Auseinandersetzungsebenen mit einzubeziehen, ist ein großer Schritt in die richtige Richtung.
Zur Zeit beschäftigt sich die Branche ja leider lieber mit Klagen und Gerichtsverhandlungen. Diese Häufung von Klagen ist ein Krisensignal. Scholz dazu: „Dort wo grundlegende Übereinkünfte nicht mehr greifen, holen sich die beteiligten Konfliktpartner wenigstens die Entscheidung im Einzelfall ab, um Klarheit zu gewinnen.“ Vielmehr sollten die Konkurrenten versuchen, sich in Eigenregie oder unter Moderation des Staates zu verständigen. Hamburg als eine der Medienmetropolen Deutschlands und Verlagshochburg tut zweifellos gut daran, aktiv einen neuen Konsens zwischen Akteuren aus Medien und Politik anzustreben.
Seine Rede war auch ein deutliches Plädoyer dafür, mehr über die Chance des Internets zu reden. Leider überwiegen in Deutschland die Diskussionen über die Risiken. Seiner Meinung nach wiegen Werte und Anreize in medienpolitischen Diskussionen mehr als Verbote und Vorschriften. Vor dem Hintergrund, dass viele regulatorische Ansätze der klassischen Medienwelt im digitalen Zeitalter schlichtweg nicht mehr funktionieren, ist dies eine sinnvolle Einlassung. Gerade weil die Öffentlichkeit für eine demokratische Gesellschaft enorme Bedeutung besitzt und das Internet nie dagewesene Zugangsmöglichkeiten zu Informationen schafft, brauchen wir vernünftige Media-Governance-Ansätze.
Einen interessanten Beitrag aus journalistischer Perspektive lieferte Andreas Cichowicz, Chefredakteur des NDR Fernsehens. Er honorierte, wie gut informiert und mit Hintergrundwissen versorgt die deutsche Öffentlichkeit heutzutage ist. Nicht unkritisch bemerkte er jedoch, dass viele verschiedene „Teilöffentlichkeiten“ im Internet, die ohne klassischen Journalismus auskommen, für Verwirrung sorgen. Er sagte wörtlich „wer heute wahrgenommen werden will, muss nicht unbedingt Wahrheit liefern. Er muss nur liefern!“. Wie ich finde eine passende Kritik zu den doch häufig sehr aufgeregten Diskussionen und vermeintlichen „Shitstorms“.
Sein Appell an die „Qualitätsmedien“, in ihre Kernkompetenzen zu investieren und Orientierung zu bieten und durch Unabhängigkeit Vertrauen herzustellen ist daher eine logische Konsequenz. Statt von Verwirrung durch zu viele Öffentlichkeiten und Informationsmöglichkeiten zu sprechen, sollten wir aber endlich auch Blogs und Bürgerjournalismus in erster Linie als Bereicherung der Medienwelt und als wichtigen Beitrag zur Demokratisierung anerkennen. Dies hatte Olaf Scholz vorher auch in seiner Rede angemerkt.
Was mir gefiel, war die allgemeine Einsicht, dass Medien- und Netzpolitik nicht länger voneinander getrennt betrachtet werden können, sondern in einen gemeinsamen Kontext gesetzt und zu Gesellschaftspolitik werden müssen. Dies hatte nicht nur Scholz in seiner Rede angesprochen, sondern war auch Thema in meinem Gesprächen bei dem anschließenden Empfang. Es freut mich, dass sich diese Erkenntnis langsam durchsetzt.
Der Kongress wird heute in Form von Round-Table-Gesprächen fortgesetzt. Ich bin gespannt, welche Ergebnisse diese liefern werden.
Das Positive an dieser Rede waren, dass sie überhaupt gehalten wurde und der Bürgermeister die Medienpolitik wieder ganz oben in der Senatskanzlei angesiedelt hat! Impulse fehlten etwas!