"Nackt im Netz" – Aufzeichnung der Diskussion zum Datenschutz in Europa mit Caspar, Kappes und Groote

Politik

Gestern Abend habe ich mit dem Hamburger Datenschutzbeauftragten Prof. Caspar, dem Europaabgeordneten Matthias Groote und dem Unternehmer und Autor Christoph Kappes über den Datenschutz in Europa diskutiert. Leider fehlt die Einleitung und das Ende, aber den wesentlichen Teil der Diskussion bekommt man mit dem Mitschnitt noch mit.

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Ist der Datenschutz noch zeitgemäß?
Zunächst haben wir die Frage diskutiert, ob die Datenschutzgesetze wie wir sie aktuell haben überhaupt noch zeitgemäß sind. Im Wirrwarr von TKG, TMG, BDSG, RStV und EU-Richtlinien verlieren Normalsterbliche schnell den Überblick. Matthias Groote hat die Bemühungen der EU zur Harmonisierung des Datenschutzes erklärt. Aktuell läuft die Diskussion zur Revision der Datenschutzverordnung und im kommenden Jahr wird ein Gesetz zu Cloud Computing verabschiedet. Hier ist es schwierig, die unterschiedlichen Niveaus der einzelnen Länder auf einen Nenner zu bringen, ohne dass darunter das Schutzniveau in Deutschland leidet.
Der digitale Binnenmarkt ist noch nicht vorhanden
Bei der Digitalen Agenda der EU geht es aber auch um den „digitalen Binnenmarkt“ in Europa. Während prinzipiell der freie Handel in Europa herrscht, haben wir erstaunlicher Weise im Internet noch jede Menge Handelsbeschränkungen. Beispielsweise kann man mit einem deutschen iTunes-Account im UK-App-Store nicht einkaufen. Deswegen sprach Matthias Groote auch den Satz aus „der digitale Binnenmarkt ist in Deinem Land nicht verfügbar“.
Harmonisierung darf nicht zu weniger Datenschutz führen
Aus Sicht von Prof. Caspar haben wir jede Menge Regeldefizite. Das Recht ist nicht „up to date“, da der Gesetzgeber mit der rasanten technischen Entwicklung nicht mitkommt. Christoph Kappes forderte ein dynamischeres Recht, dass sich weg vom Personenbezug hinzu einem Identitätsbezug wendet. Caspar sprach davon, dass Facebook eine Risikotechnologie sei und die Datenschützer zu wenig Möglichkeiten haben, direkt den Betreiber in die Verantwortung zu nehmen. Er kritisierte auch, dass die Unternehmen sich bewusst die Standorte mit den niedrigsten Standards aussuchen würden. Deswegen darf die Harmonisierungen der EU nicht zu einem „Downstripping“ der Rechte führen, sondern es sollten Richtlinien wie beispielsweise im Umweltschutz sein, die dann die einzelnen Ländern noch ausweiten dürfen.
Müssen wir alles machen, was technisch möglich ist?
Abseits der juristischen Diskussion ging es vor allem um die ethischen Normen und die Technikfolgeabschätzungen. Müssen wir alles machen, was technisch möglich ist? Christoph Kappes hielt hier ein Plädoyer für mehr Forschungsgelder für die Erforschung von sozial verträglicher Technik und von Möglichkeiten, mit denen sich die Nutzer das informationelle Selbstbestimmungsrecht zurück erobern können. Gerade dieser Punkt der Diskussion zeigt, die gesamte Dimension des Themenfelds. Gerade weil die technische Entwicklung so rasant ist, brauchen die Nutzer eben auch technische Hilfen, um die eigenen Daten besser in den Griff zu bekommen. Aus Reihen des Publikums kam bei diesem Punkt auch die Forderung nach mehr Medienkompetenzschulungen.
Über Streetview streiten wir uns, mit unseren Bankdaten haben wir keine Probleme
Matthias Groote wunderte sich bei dem Thema, wie hysterisch in Deutschland manchmal bestimmte Dinge diskutiert werden. Über Streetview gibt es eine große Debatte, aber über die Übertragung von Bankdaten (SWIFT) oder Flugdaten an die USA finden in der Öffentlichkeit kaum Debatten statt, obwohl die Auswirkungen viel größer sind. Diese Diskussionen führten seiner Meinung dazu, dass es für Unternehmen nicht attraktiv sei, sich in Europa niederzulassen. Prof. Caspar entgegnete ihm, dass ein guter Datenschutz auch ein Wettbewerbsvorteil sein kann, da er mehr Vertrauen verspreche.
Macht es einen Unterschied, ob der Staat oder Unternehmen Daten erheben?
Auf meine Frage, ob es einen Unterschied ausmache, ob Unternehmen oder der Staat Daten speichere waren sich alle Beteiligte einige, dass es aufgrund der schieren Masse an Daten in privaten Unternehmen hier deutlich mehr Handlungsbedarf gäbe. Caspar warf die Fragen in den Raum, was den passiert, wenn Facebook von China gekauft werden würde? Matthias Groote sprach aber auch die staatliche Datensammelwut an. Mit Vorratsdatenspeicherung und Fluggastdatenspeicherung werden Daten gesammelt, die eine Scheinsicherheit vorgaukeln, dabei alle Bürger unter Generalverdacht stellen und gleichzeitig ist das Risiko dieser Datensammlungen kaum absehbar.
Die Diskussion geht weiter
Eine spannende Diskussion zu einem Thema, dass uns alle betrifft. Denn selbst wenn man nicht sonderlich aktiv im Internet ist, werden Daten gesammelt. Ich werde die Diskussion in Zukunft weiterführen und freue mich über weiteren Input. Aktuell gibt es ja wieder einen großen Streit über die Vorratsdatenspeicherung und die Bürgerschaft wird sich in absehbarer Zeit mit dem Informationsfreiheitsgesetz beschäftigen.

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