Das zweite Politcamp ist nun zu Ende. Zeit für einen – aus Mitveranstaltersicht natürlich verklärter – Rückblick:
Ich war nach dem aus meiner Sicht sehr erfolgreichen Politcamp09 natürlich sehr gespannt, ob wir es schaffen würden, die Erwartungen zu erfüllen – eigene und natürlich die der Teilnehmer. Nachdem es klar, war das wir das Politcamp10 nicht wie geplant in Bonn durchführen können, haben wir uns wieder in die Hände des Berliner Radialsystems V begeben. Eine Entscheidung, die keiner von uns bereut und bereits jetzt steht fest, dass wir ein eventuelles Politcamp11 sicherlich wieder dort stattfinden lassen. Dieser Ort ist einfach ideal für die Art von Veranstaltung. Zum Glück konnten relativ schnell notwendige Fördermittel und Sponsoren akquiriert werden. Schnell haben sich auch viele namhafte Politiker und Vertreter der Netzcommunity bereit erklärt, an Diskussionen teilzunehmen. Dies ist besonders das Verdienst von Valentin Tomaschek, der sich in den letzten Wochen wirklich aufgerieben hat!
Durch die Kürze der Vorbereitung konnten wir viele Ideen nicht realisieren und einiges wahr ein wenig expirementell, z. B. die Sessionplanung. Kurz vorher haben wir die Sessions über Liquidsession.de abgefragt. Ein interessantes Tool, dass mspro kurz zuvor entwickelt hat. Die Sessionplanung haben Lars Brücher und ich dann auf Grundlage der hier eingetragenen und der spontanen Vorschläge über ein Stimmungsbild zusammengefrickelt. Es wäre toll, wenn sich Liquidsession.de zu einem richtigen Sessionplanungs- und erstellungswerkzeug weiterentwickeln würde. Der Bedarf ist da, das Potenzial hat es und mspro & Co haben das bestimmt auch drauf 😉
In Anbetracht der insgesamt 53 Sessions, von denen acht bereits im Vorfelde feststanden, hab ich mich doch sehr gewundert, dass einige Stimmen aufkamen, das Politcamp würde den Barcamp-Charakter widersprechen. Keine von den Teilnehmern vorgeschlagene Session ist hinten runtergefallen, wir hatten am Ende sogar noch einen freien Slot. Ein wenig mehr Unverkrampftheit tut glaube ich allen gut. Die festgelegten Sessions sollten einen Anreiz für die Barcamp-Unerfahrenen darstellen. Wir möchten mit dem Politcamp Brücken bauen, inhaltlich wie organisatorisch. Dafür braucht es bestimmte Zugpferde.
Ich fand es toll, dass die Spannbreite der Themen deutlich größer war, als beim letzten Mal. Da ich so stark mit der Organisation der Sessions in der großen Halle beschäftigt war, konnte ich leider nur eine der kleineren Besuchen. Es wäre toll, wenn wir weitere Sessions aus den anderen Räumen streamen könnten. Dann hätten nicht nur wir als Orga-Team die Chance, mehr von der Veranstaltung mitzunehmen. Dies wäre auch gut für die Daheimgebliebenen. Ich glaube, wer das Politcamp nur über den Stream aus der Halle und über Twitter verfolgt hat, bekommt nur einen sehr kleinen Ausschnitt mit. Aber wie immer im Leben hängt dies von den Ressourcen ab. Jedes weitere Sponsoring wird hierfür gerne angenommen 😉
Mit dem Ablauf einiger der Panel-Diskussionen war ich auch nicht zufrieden und teile die Kritik von Thomas Knüwer, der ein Panel moderiert und an einem mitdiskutiert hat. Ich hätte mir auch gewünscht, dass mehr mit- und weniger übereinander geredet wird. Diese Kritik betrifft sowohl die Teilnehmer auf dem Podium, wie die Zuhörer im Saal. Wenn ein Podiumsteilnehmer nur für die 45 Minuten seiner Session einfliegt und danach wieder geht, ist das einfach zu wenig! Bei dem Terminplan einer Bundesministerin ist das noch nachvollziehbar, aber so ein normaler Parlamentarier hat da mehr Spielraum. Was mich persönlich bei einigen Beiträgen der Zuhörer störte, ob nun virtuell über die Twitterwall oder über das Mikro, war dann doch wieder der Rückfall in Schubladendenkweisen und plumpes Politbashing, sowie die Selbstdarstellung einiger Gruppierungen. Nikolaus Huss hat hierzu eine gute Analyse geschrieben.
Vieles hängt von der Moderation und von der Besetzung des Podiums ab. Sowohl für die Verknüpfung von Podium und Saal, als auch für eine lebhafte Diskussion auf dem Podium. Auch hier ist nicht immer alles optimal gelaufen. Ich selbst hab ja die Session zu den Netzsperren spontan moderiert. Wenn sich alle Teilnehmer einig sind und gleichzeitig selbst nicht wissen, wie es weitergeht, dann wird die Diskussion schnell unergiebig.
Seit dem Politcamp09 hat sich in Sachen Netzpolitik viel getan. Die Debatte um das Politik im Internet ist aus der Nerd-Ecke raus und wird mittlerweile von allen Parteien aufgegriffen. Auf europäischer Ebene gibt es eine Internet-Komissarin, in Deutschland hat der Bundestag eine Enquette-Komission ins Leben gerufen, alle Parteien haben Foren und Gesprächskreise gegründet. Jetzt wird es Zeit, dass die Diskussion weiter in die Gesellschaft hineingetragen werden. Themen wie Netzneutralität, Demokratisierung der Netze und Medien und die Veränderung der Lebens- und Arbeitswelt sind zu wichtig, als dass sie nur in Ausschüssen, Gesprächskreisen oder Politcamps diskutiert werden. Hier ist noch ein viel zu tun und Nico Lumma hat Recht, wenn er zum langen Marsch durch die Institutionen 2.0 aufruft.
Ich bin gespannt, wie sich die Netzpolitik weiter entwickelt. Der Ball liegt auf dem Spielfeld, wir sollten ihn jetzt aufnehmen und in die richtige Richtung weiterspielen. Wenn im kommenden Jahr der Zwischenbericht der Enquette-Komission vorgelegt wird, wäre das Politcamp11 der richtige Ort zur Vorstellung und weiteren Diskussion.
Die Bilder stammen von Thomas Voigt, seine und zahlreiche weitere finden sich bei Flickr. Weitere Stimmen und Artikel werden bei delicious.com gesammelt. Mit Twazzup läßt sich die Diskussion auf Twitter noch ein wenig verfolgen.
2 Gedanken zu „Das war das Politcamp10“