So war das PolitCamp 2012

Politik

Nun liegt das Politcamp 2012 hinter uns. Wenn man ein Fazit zieht, ist es natürlich immer subjektiv gefärbt.
Das vierte Politcamp fand nach dem Ausflug letztes Jahr nach Bonn nun wieder im altbekannten Radialsystem V in Berlin statt. Die Zahl der Teilnehmer ist nochmals ein wenig nach unten gegangen. Nach dem Peak 2010 mit irgendwas bei 800 Teilnehmer hatten wir in Bonn ca. 300 und 2012 waren nun in Berlin ca. 250 verteilt über zwei Tage. Viele waren nur einen Tag da, aber das erlebt man ja häufig bei mehrtägigen Veranstaltungen. Wie auch in den vergangenen Jahren haben wir uns im Radialsystem V sehr wohl gefühlt. Dieser Ort ist einfach super geeignet für Barcamps.

Angesichts der parallelen Openmind und des Barcamps Stuttgart war die Teilnehmerzahl gar nicht so schlecht. Man muss auch sehen, dass es mittlerweile sehr viele netzpolitische Veranstaltungen gibt und sich da auch ein kleiner Ermüdungseffekt einsetzt. Gefreut hat mich, dass neben zahlreichen Politcamp-Veteranen auch sehr viele zum ersten Mal dabei waren. Unser Ziel ist es ja, den netzpolitischen Diskurs anzustoßen und frisches Blut tut da immer gut. Wie immer waren die Gespräche und Kontaktmöglichkeiten am Rande mit das Wichtigste und die Stimmung an den zwei Tagen war auch so, dass sich alle parteiübergreifend gut verstanden und weiter vernetzt haben. Damit haben wir sicherlich eines der wichtigsten Ziele des Politcamp erreicht.
Zwei prominente Neuzugänge unter den Teilnehmern waren natürlich die Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger und der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar. Die Stippvisite des Vizekanzlers Philipp Rösler war sicherlich die größte Überraschung. Leider hat er an keiner Session teilgenommen. Aber vielleicht diskutieren wir ja beim Politcamp 2013 über den Wirtschaftsfaktor Internet mit ihm?
Mit Peter Schaar habe ich gemeinsam mit Cornelia Tausch von der Verbraucherschutzzentrale über Datenschutz in der Cloud gesprochen. Die Diskussion knüpfte ein wenig an meine Diskussion mit ihm auf der Cebit an. Diesmal konnten wir das Thema „Data-Portability“ ein wenig vertiefen. Die Frage, wie ich meine Daten von einem Cloud-Anbieter zum anderen bekomme, wird in Zukunft immer wichtiger werden. Dies ist auch Teil des Ziels der informationellen Selbstbestimmung.
Die Session mit der Bundesjustizministerin fand ich sehr angenehm. Sie hatte zunächst ein rund 15 Minütiges Eingangsreferat, quasi eine Tour de Force durch die Netzpolitik, gehalten und stellte sich dann in der Fishbowl-Diskussion den Fragen des Publikums. Über das umstrittene Leistungsschutzrecht hatten wir am Vortag bereits mit Herrn von Klaeden vom Axel Springer Verlag kontrovers diskutiert. Natürlich gab es hierzu auch bei dieser Session kritische Fragen, zumal der Gesetzesentwurf ja direkt aus ihrem Haus kam. Auf die Frage, wie das LSR in den Koalitionsvertrag kam und wie das umstrittene Vorhaben nun weiter vorangetrieben wird, kam von ihr die Antwort, das BJM hat den Entwurf vorgelegt und damit hätten sie ihre Schuldigkeit getan. Klingt nicht nach hoher Motivation. Engagierter war sie da schon eher bei der Vorratsdatenspeicherung. Zum Verfahren und vermeintlicher Vertragsstrafen sagte sie klipp und klar es gäbe zahlreiche andere Vertragsstrafenverfahren – bei umstrittenen Vorgängen also völlig normal – und bei der VDS wird es auch im Nachhinein zu keinen Strafzahlungen kommen. Ihr Einsatz in Sachen ACTA und gegen einen Klarnamenzwang wurde von dem Publikum positiv aufgenommen. Insgesamt hat sie die Chance genutzt, sich als progressive Bürgerrechtlerin zu positionieren und der FDP in Sachen Netzpolitik ein gutes Images verpasst.
Dies hätte ich mir von meiner eigenen Partei auch gewünscht. Die SPD ist diesmal beim Politcamp unter den Möglichkeiten geblieben. Dabei wäre dies zum Beispiel ein geeigneter Ort gewesen, um den Kreativpakt zu diskutieren. Leider waren aus dem Berliner Polittikbetrieb von Seiten der SPD nur Lars Klingbeil und Björn Böhning dabei. Lobend erwähnen will ich aber den saarländischen Bildungsminister Ulrich Commerçon. Ohne viel aufsehen hat er sich zwei Tage an diversen Sessions aktiv beteiligt. Dies wurde von vielen positiv bemerkt.
International wurde es dann mit dem Vortrag von Elizabeth Linder von Facebook. Sie hatte über den Einsatz von Facebook im US-Wahlkampf berichtet und noch weitere internationale Beispiele geliefert. Im Vergleich dazu liegt in Deutschland noch vieles brach. Aber ebenso wie bei der Diskussion mit der Vertreterin von Twitter am Vortag hätten die Fragen rund um Bürgerrechte und dem Recht auf freie Meinungsäußerung versus staatlicher Eingriffe sicherlich noch stärker diskutiert werden können. Aber die Tipps aus erster Hand waren in jedem Fall sehr wertvoll.
Die spektakulärste Session war dann sicherlich die letzte Session. Eigentlich ging es um ein harmloses Fazit zum ersten Jahr der Piratenfraktion im Berliner Abgeordnetenhaus neben Abgeordneten von SPD und CDU waren auch die beiden Fraktionschefs Andreas Baum und Christopher Lauer anwesend. Letzterer wirkte schon beim Betreten des Podiums gelangweilt und fläzte sich in Joschka-Fischer-Manier auf den Stuhl und brummte auf die ersten Fragen nur vor sich hin. Als dann Sven Kohlmeier eben dieses Kommunikationsverhalten kritisierte und meinte, es sei auch in anderen Runden schwer mit Christopher Lauer zu diskutieren, weil er entweder nicht zuhört oder ständig mit seinem Handy rumfummelt, sprang Lauer auf einmal auf, meinte er müsse sich nicht ständig beschimpfen lassen und verließ dann mit theatralischen Gesten den Saal.

Über Twitter schickte er dann noch hinterher, er müsse sich so einen Scheiß an einem Sonntag nicht geben. Nicht nur ich fand das Auftreten von Lauer unsouverän und Andreas Baum tat einem schon fast Leid, dass er nun allein die Scherben von Lauer aufsammeln musste. Auftritte wie dieser machen das sichtlich um konstruktiven Austausch bemühte Auftreten von Andreas Baum und von Marina Weisband am Vortag zu Nichte. Die Kommentare unter dem Video von Christian Scholz sprechen Bände, wie so ein Auftreten goutiert wird. An dem Auftritt wird die Piratenpartei noch zu knabbern haben.
Trotz der vielen Arbeit – die insbesondere bei Valentin Tomaschek hängen bleibt – die die Organisation und Durchführung so eines Politcamps macht, ist es immer wieder eine Freude zu sehen, wie angeregt diskutiert, vernetzt gelacht und manchmal auch gestritten wird. Im kommenden Jahr wird dann das Politcamp eine ganze Legislaturperiode begleitet haben. Insgesamt stellen wir fest, dass die Netzpolitik im Zentrum der Politik angekommen ist. Alle Parteien haben ihre netzpolitischen Sprecher, Foren, AGs und machen eigene Veranstaltungen. In den Parlamenten wird über Netzpolitik debattiert und die Justizministerkonferenz und der Bundesrat beschäftigen sich mit solchen Dingen wie die Störerhaftung. Wer hätte dies vor vier Jahren gedacht?
Wir sind gespannt, wie sich dies auf die Wahlprogramme zur Bundestagswahl 2013 niederschlägt. Bis dahin wird aber sicherlich noch einiges passieren.
Weitere Links:
[Politcamp 2012]
[SpON: „Da hab ich an ’nem Sonntag was Besseres zu tun“]
[Kritikkultur: Troll trollt gegen Trolle – toll!]
[Bilder von Pascal Kurschildgen]

7 Gedanken zu „So war das PolitCamp 2012“

  1. Danke!
    Und ein Zeichen, wie „Content“ im Internet auch aussehen kann, durchdacht, reflektiert, ausgewogen, fair. Auch wenn ich dieses mal arbeitsbedingt „schwänzen“ musste, freue ich mich, wenn es nächstes Jahr mal wieder klappt. Keep on rocking 😉

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  2. Ihr hättest es halt wieder in Bonn veranstalten können, so waren die Sessions und die Zahl der Anwesenden enttäuschend. Richtig gut fand ich Herr Schaar.

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